DIE SERVICEPRAXIS BLÜHT!

EIN GEWINN FÜR PATIENTEN UND TEAM

von Dr. Martina Obermeyer

Zahnheilkunde bedeutet mehr als bohren und angespannt über Patienten schwitzen - gerade weil unsere Klientel heute zunehmend aufgeklärter, anspruchsvoller und schwieriger wird. Besonders die naturheilkundlich orientierten Praxen, die sich intensiv mit dem Menschen als ganzes System und insbesondere auch mit der Psyche beschäftigen, sind diesbezüglich besonders gefordert. Wir alle kennen Patienten, die uns zeit- und kräftemäßig über Gebühr beanspruchen, was für den Zahnarzt nicht zu jedem Zeitpunkt leicht zu erbringen oder abzupuffern ist.

Eine nach allen Regeln der Kunst installierte Servicepraxis entlastet insbesondere den Behandler, und ist für Patienten und das gesamte Team gleichermaßen angenehm und gut umzusetzen.

WAS BEDEUTET SERVICEPRAXIS NUN IN VOLLEM UMFANG?

In erster Linie geht es um die perfekte Patientenbetreuung. Entspannung ist hier das Zauberwort! Kaum ein Patient betritt entspannt und gut gelaunt eine Zahnarztpraxis, es sei denn, er wäre kariesfrei, ohne parodontales Problem und würde nur zu einer Untersuchung und bestenfalls zu einer zarten Prophylaxe in die Praxis kommen. Nervöse und ängstliche Patienten bedeuten für uns als Behandler einen erheblichen Mehraufwand. Sie verhindern durch die angstbedingte Anspannung ein angenehmes und unkompliziertes Arbeiten. Durch die Nervosität ist der gesamte Muskeltonus erhöht, die Salivation weit über dem Normalbereich und eine mögliche motorische Unruhe am Stuhl kann speziell bei längeren Eingriffen für alle Beteiligten eine schweißtreibende Herausforderung darstellen.

Können wir als Team Patienten öffnen und entspannen, haben wir wunderbare Arbeitsbedingungen. Eine einwandfreie Mundöffnung, keinen Würgereiz, dadurch unproblematische Abdrücke. Auch längerer Eingriffe, wie Chirurgie und Parodontologie oder große Präparationen, werden zu einem wirklichen „Arbeitsvergnügen", unter diesen Bedingungen qualitativ exzellente Arbeit möglich wird mit ebenso stabilen Langzeitergebnissen. Eine entspannte und angenehme Arbeitsatmosphäre schafft insgesamt eine deutlich bessere Patientencompliance mit langfristigen Behandlungserfolgen. Wichtige Voraussetzung für den Praxiserfolg über viele Jahre sind Behandlungsfälle, die auch über definiert längere Zeiträume gut funktionieren.

DAS TELEFON IST DIE VISITENKARTE IHRER PRAXIS

Der sprichwörtliche erste Eindruck einer Praxis beginnt in den allermeisten Fällen am Telefon. Hier entsteht für Patienten bereits eine lebhafte Vorstellung, in welcher Praxis sie gelandet sind, in welcher Atmosphäre behandelt wird und wie Patientenanliegen in dieser Praxis behandelt werden. Da visuelle Eindrücke am Telefon wegfallen, kommen strahlend blaue Augen oder andere optische Vorzüge hier nicht zum Hingegen ist der Umgangston entscheidend, die Freundlichkeit und vor allem der Klang der Stimme, sowie eine geschulte Rethorik im Umgang mit den Wünschen des Patienten. Das bedeutet, dass zum Beispiel die Vereinbarung eines Druckstellentermins keine 15 Minuten in Anspruch nehmen darf, selbst wenn der Patient zeitlich nicht viel Spielraum hat. Gleichermaßen muss dem Patienten das Gefühl vermittelt werden, es geht ausschließlich um ihn, obwohl dieser Zusatztermin auch ins allgemeine Praxisbestellsystem störungsfrei einzugliedern ist. Ebenso ist ein Telefonstandard selbstverständlich, der in Art und Form der Meldung am Telefon für das gesamte Team verbindlich ist.

Perfektes Telefonieren ist eine Kunst, die erlernt werden kann und braucht vor allem Übung! Hierzu empfehlen sich Kommunikations- oder Telefonseminare, die dann in der Praxis individualisiert immer durchgängiger angewendet werden können. Diese Schulungen sollten das gesamte Team einschließen, da in der Regel alle irgendwann einmal ans Telefon müssen, auch die Auszubildenden. Unter dem Gesichtspunkt, dass die Rezeption der wichtigste Marketingfaktor einer Praxis ist, lohnt sich das immer!

Ein kleines Beispiel einer installierten Servicepraxis ist der sogenannte Rückrufservice:

Wir haben schon vor Jahren in der Praxis eingeführt, Patienten nach längeren Behandlungen, insbesondere Präparationen, Operationen oder Parodontalbehandlungen am nächsten Tag zurückzurufen. Eine kurze Nachfrage, wie die Befindlichkeit ist, ob Schmerzen aufgetreten sind oder eine Schwellung, wie die Nacht verlaufen ist und ob man etwas für den Patienten noch unterstützend tun könne. Entsprechend dem homöopathischen Prinzip „kleiner Anstoß - große Wirkung" ist der Effekt eines derartigen Rückrufs enorm! Patienten, die das zum ersten Mal erleben, sind in der Regel überwältigt. Sie fühlen sich ausgezeichnet betreut, bekümmert und in keiner Weise alleine gelassen. Viele Kleinigkeiten, Unsicherheiten und Ängste lassen sich am Telefon unproblematisch erklären und vermitteln dem Patienten die Sicherheit, dass auch wirklich alles in Ordnung ist. Bei Schwierigkeiten hat es den Vorteil, dass bei Patienten, die sich unter Umständen nicht von alleine melden würden, frühzeitig ein Symptom als nicht regulär erkannt wird und man ihn umgehend einbestellt, um weitere, schwerwiegendere Konsequenzen zu verhindern. Insbesondere in naturheilkundlich orientierten Zahnarztpraxen gibt es einen signifikant höheren Anteil an Patienten mit langem Anfahrtsweg und gerade für diese Zielgruppe ist ein Rückrufservice sehr angenehm. Neben den klaren Prämissen für einen Telefonstandard und dem damit verbundenen Service sollten in einer Praxis auch die allgemein gültigen Kommunikationsregeln genau festgelegt werden.
Kommunikation in der Praxis findet auf allen Ebenen statt: Stimme, Sprache, Körpersprache

Am Telefon ist das Signal der Körpersprache nicht wahrnehmbar, das mit 55 % den höchsten Informationsgehalt auf der Kommunikationsebene besitzt. Hingegen ist über die Stimme und Tonlage (38 % der Kommunikation) sowie über den Gebrauch der Sprache (7 %) für den Patienten noch eine Menge spürbar.

Internetauftritte und Praxisprospekte können wunderschön sein, überzeugend in der Praxis ist jedoch die Livevorstellung. Wenn wir Patienten im direkten Kontakt in der Praxis nicht wirklich überzeugen können, nützt uns die beste Darstellung im gesamten Medienbereich nichts. Auf der Kommunikationsebene bedeutet dies, je authentischer man kommunizieren kann, um so überzeugender wirkt man. Unsere heutige topversierte Rezeptionistin musste vor 6 Jahren auf

Grund multipler Schwangerschaften kurzerhand im zweiten Lehrjahr den Rezeptionsbereich übernehmen. Die Abbildung 1 ist ein Foto aus dieser Zeit und ein wunderbares Beispiel, wie man fachliche Defizite durch Personlichkeit und gut geschulte Kommunikation ausgleichen kann ...

Widersprüchliche Signale von Sprache und Körpersprache verwirren den Patienten. Dies geschicht unbewusst, er könnte im Moment nicht einmal genau formulieren, was hier nicht stimmig wäre. Es gilt also nicht, antrainierte oder auswendig gelernte Formulierungen an den Mann zu bringen, sie müssen schon mit der inneren Einstellung kongruent sein, um wirklich überzeugend, vertrauenswürdig und vor allem charmant zu wirken. Genau so wenig ist zu erwarten, dass man mit Patienten anders kommunizieren könne als im Team untereinander. Hier zählt die tägliche, gelebte Praxis und die Umgangsformen innerhalb des Teams übertragen sich automatisch auf alle, die mit den Teammitgliedern in Kontakt kommen. Wir haben seit Jahren genau definierte Höflichkeitsstandards innerhalb der Praxis festgelegt, die untereinander ebenso akribisch praktiziert werden wie mit allen Kontaktpersonen von außen. Am Anfang mutet das etwas seltsam an und beinahe gekünstelt, doch innerhalb kurzer Zeit entwickelten sich auch hier Automatismen, die eine unglaubliche Außenwirkung entfalteten. Wir bekamen als Team bis heute so viele erfreuliche und begeisterte Rückmeldungen, dass wir davon selbst ganz überrascht waren. Der tiefergreifende Effekt dieses neuen Umgangs erstreckt sich auf weite Bereiche: Es gibt viel weniger Rückfragen von Patienten, große Erklärungen für Zuzahlungen etc. sind nicht mehr nötig, die Leistung verschiedener Unterschriften auf Formularen kein Thema mehr. Insgesamt würde ich diese authentische Kommunikation auf allen Ebenen als großartige, vertrauensbildende Maßnahme bezeichnen. Sie erleichtert in der Praxis nicht nur die Verständigung des Teams, sondern insbesondere auch den Umgang mit Patienten auf eine wunderbare Art.

SERVICE IST ECHTE, LIEBEVOLLE MENSCHLICHKEIT

Patienten möchten mit all ihren Ängsten und Vorbehalten, mit allen Facetten ihrer Persönlichkeit wahrgenommen werden. Jeder spürt sofort intuitiv, ob er als Person ganzheitlich angenommen wird oder einen für die Praxis notwendigen Umsatzträger darstellt. Es ist entscheidend, den liebevollen Umgang als Behandler vorzuleben, unser Team richtet sich unwillkürlich danach aus.

Service beginnt mit der perfekten Begrüßung und endet mit der Verabschiechung, die dem Patienten definitiv am längsten im Gedächtnis bleibt. Der Begrüßungsstandard in unserer Praxis bedeutet:

 

  • Begrüßung des Eintretenden mit Namen
  • Blickkontakt halten
  • Lächeln
  • Aus dem Mantel helfen
  • Auf passende Lektüre hinweisen
  • Getränkewunsch erfragen
  • Bequemen Platz im Wartezimmer anbieten
  • Ein bis zwei persönliche Fragen stellen oder kurze Unterhaltung
  • Präzise angeben, wie lange die Wartezeit noch dauern wird

 

Auch die Angaben über die Wartezeit beinhalten einen wertschätzenden Umgang mit der Zeit unserer Patienten.

Je patientenorientierter das gesamte Team eingestellt ist und agiert, umso stärker sind wir als Zahnärzte entlastet. Wir können uns dann viel besser auf die technische und oftmals schwierige Seite der Behandlung konzentrieren, ohne uns primär mit der Patientenpsyche und deren „Handling" auseinandersetzen zu müssen. Dadurch entsteht ein wesentliches entspannteres Arbeiten für alle, insbesondere spürt jedoch der Behandler, dass die Sitzungen am Stuhl bei weitem nicht mehr so kraftraubend sind wie früher.

All diese Details scheinen im einzelnen unspektakulär und nichts Besonderes zu sein der große Effekt liegt in der Summe der 1000 Kleinigkeiten, die täglich anders gehandhabt werden. Die serviceorientierten Amerikaner haben dafür einen wunderbaren Spruch geprägt, der dies präzise ausdrückt:

Attitude is a little thing that makes a big difference

Es sind die innere Haltung und Grundphilosophie, die unser Verhalten auf allen Ebenen prägen. Daher sind das schriftliche Fixieren einer Praxisphilosophie, diverser Standards und Anliegen mit dem gesamten Team die Grundlage für alles, was die Servicepraxis zu leisten imstande ist.

Insgesamt ist dies ein spannender Weg mit einem Hauch von Abenteuer!

Viel Spaß beim Beginn und weiteren Weg!

Dr. Martina Obermeyer
Kocheler Str. 1
82444 Schlehdorf am Kochelsee
Seminare und Praxis-Coachings
info@aufwind.org
Tel. 08851 - 615691

Literatur beim Verfasser

Dr. Martina Obermeyer
Internationale Vorträge und Lehrtätigkeit

1958 Geboren in Straubing
1980-1985 Studium der Zannheilkunde
1988 Erste eigene Praxis als Mitglied einer Praxisgemeinschaft
1989 Übernahme der väterlichen Praxis in Straubing
1992 Heilpraktiker-Prüfung
1994 Praxisüberrahme in Kochel an See
1999 Auszeichnung zahnärztliche Unternehmerin des Jahres in Deutschland
Seit 2000 Leitung Aufwind Consulting GmbH in Schlehdorf
Internationale Vorträge und Lehrtätigkeit
Seit 2005 Privatzahnärztin

GZM - Praxis und Wissenschaft 11. Jg. 3/2006

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