Zeitmanagement in der Praxis

Pünktlich anfangen, pünktlich fertig werden, effizient arbeiten

von Dr. Martina Obermeyer

Viele naturheilkundliche Kollegen lieben ihren Beruf und arbeiten sehr viel – trotzdem gibt es in vielen Praxen für Patienten trotz Termin Wartezeiten von 30 Minuten bis zu drei Stunden. Das bedeutet Stress für alle im Team: für die Rezeptionistin, die MFAs und natürlich für den Chef selbst. Ebenso ist niemandem auf Dauer ein „open end“ der Behandlung zuzumuten – das schadet dem Privatleben aller Betei- ligten und ist auch nicht gesundheits- fördernd. Was genau ist zu beachten, wenn man als engagierter Arzt/HP eine Praxis erfolgreich leiten und gleichzeitig ein erfülltes Privatleben führen möchte?

Besonders mit Familie im Gepäck empfiehlt sich eine klare Zeitstruktur und Logistik. Kurze Wege sind kriegsentscheidend – in die Praxis, zur Kita, zum Einkaufen, zum Sport etc. Daher planen Sie Ihre Zeit in der Praxis möglichst genau und Ihren Bedürfnissen entsprechend. Sie können jederzeit in Ihrer eigenen Praxis die Öffnungszeiten und Behandlungszeitfenster den aktuellen Lebensumständen anpassen.

Reichen 24 Stunden pro Tag? In klar definierter Zeit punktgenau arbeiten

Fangen Sie pünktlich an und hören Sie auch so auf. Wie Sie das im Verlauf des Tages regeln, erfahren Sie in diesem Artikel, doch das pünktliche Eintreffen in der Praxis kann Ihnen niemand abnehmen. Sollten Sie der Behandler-Typ sein, der morgens grundsätzlich zu spät kommt, dann lassen Sie Ihre Damen in den ersten 30 Minuten Patienten- Behandlungen oder Büroarbeiten erledigen, wozu Sie definitiv nicht gebraucht werden. Während der Behandlungszeit verwirklichen Sie sich möglichst ausschließlich im Sprechzimmer. Zu viel Multitasking, wie ständiges Telefonieren oder Mails abarbeiten zwischen den Patienten oder während gerade eine Spritze zu wirken beginnt, erfordert eine ständige Veränderung der Konzentration und man ermüdet viel schneller. Hin- gegen mit Fokus auf eine Tätigkeit – z. B. bei einem Patienten im Sprechzimmer bleiben – behalten Sie länger Ihre Energie und sind am Ende des Tages nicht „blutleer“.

Delegation – in klarer Priorität

Delegieren Sie alles, was nicht direkt „Chefaufgaben“ sind und kontrollieren Sie diese Arbeiten nur punktuell. Sie müssen wissen, ob es in Ihrem Sinne gut erledigt wurde, doch versuchen Sie auch, Ihren Mitarbeitern dabei einen gewissen Freiraum zu lassen. Bitte geben Sie auch möglichst alles ab, was Ihnen schwerfällt oder was Sie besonders ungern tun. Für diese Aufgaben braucht man erfahrungsgemäß viel länger als jemand, der die gleiche Aufgabe mit Leidenschaft und Freude erledigt.

Büroarbeiten und Verwaltung erledigen sich am besten mit einem ausgeruhten Kopf, also vor der Patientenbehandlung oder nach einer Pause. Versuchen Sie auch möglichst alles, was mit der Praxis und Ihrer Verwaltung zu tun hat, dort zu lassen und nicht mit nach Hause zu nehmen. Auf diese Weise können Sie leichter umschalten und sich ganz auf Ihr Privatleben konzentrieren, sobald Sie die Praxis verlassen. Machen Sie sich keinen Kopf, Sie würden nicht genug Chef, Partner oder Elternteil sein – Präsenz ist das Zauberwort!

Versuchen Sie möglichst, mit Körper und Geist bei der Sache zu sein, die Sie aktuell gerade tun: ob Sie in der Praxis arbeiten, Kinder bespaßen, Ihren Partner begeistern oder sich nach den beruflichen Anforderungen im Privaten tatsächlich entspannen.

Speziell für Damen:
Wer hält Ihnen den Rücken frei?

Sie brauchen ein Netzwerk – auf allen Ebenen. Nicht nur beruflich, sondern auch für alle anderen Aktivitäten des sozialen Um- felds. Es sind wir Frauen, die Kinder im Zweifelsfall zum Arzt bringen oder uns um die kranke Schwiegermutter kümmern. Selbst mit einem Mann, der im Haushalt mithilft, ist nicht alles abgedeckt. Mit einer Haushaltshilfe, die Ihnen die täglichen Pflichten abnimmt oder erleichtert, ist schon viel gewonnen.

Für Kinder brauchen Sie unbedingt einen Plan B: Bei Krankheit eines der Kinder, wenn der Kindergarten geschlossen hat oder zur Überbrückung der langen Ferienzeiten ist eine Person, die einspringen kann, eine conditio sine qua non. Diese sollte möglichst vertraut sein mit den Kindern, sodass sie dort auch gerne hinge- hen. Ideal ist der Fall, dass die Vertrauensperson direkt zu Ihnen nach Hause kommen kann.

Den Nachwuchs in die Praxis mitzunehmen ist nur im Notfall angesagt und sollte keinesfalls einen Standard darstellen. Man kann sich nicht wirklich konzentrieren mit einem kranken Kind im Hintergrund – die Chance, durch eine Unachtsamkeit deshalb Fehler zu machen, ist zu groß.

Für alle weiteren bürokratischen Aspekte gönnen Sie sich bitte die besten Berater und Mitarbeiterinnen, die Sie bekommen kön- nen. Einen mit Naturheilärzten/Heilprakti- kern vertrauten Steuerberater, eine pfiffige Buchhalterin sowie eine Abrechnungskraft, die Sie auch in weiteren logistischen Vorschriften in der Praxis unterstützt, wie z. B. QM oder neuen Hygienevorschriften. Für Pläne und Konzepte sowie Führungsaspekte mit Ihrem Team kann ein Coach, möglichst vom Fach, wertvolle Hilfestellung bieten. Lassen Sie Ihre Praxis nicht zur alleinigen Aufgabe in Ihrem Leben werden, sondern arbeiten Sie gerne dort – mit einem definierten Anfang und Ende.

Das wichtigste Unterstützungselement ist zweifellos Ihr Praxis-Team. Sie können nur so gut sein, wie das Team, das Sie unter- stützt. Das ist die Basis, auf der Sie entspannt und effizient arbeiten können.

Klare Struktur gibt Sicherheit

Nach meinem Dafürhalten ist eine Organisa- tion auf den Punkt am wichtigsten für den wirtschaftlichen Erfolg der Praxis, wie auch für Ihre persönliche Balance. Weniger ent- scheidend ist die Anzahl der Stunden, die Sie in der Praxis verbringen, sondern dass die Zeit dort optimal genutzt wird. Das ist eine Frage der Planung und Terminierung auf den Punkt.

Am besten funktioniert das mit einem Team, das gut zu Ihnen passt und sich als mög- lichst beständig erweist. Mitarbeiter sind heute unsere wertvollste Ressource – darauf sollten wir das größte Augenmerk legen. Ein neues Gerät können Sie jederzeit erwerben, gute Mitarbeiterinnen sind jedoch Juwelen, die es zu pflegen gilt.

Für Ihr Team bedeutet eine klare Struktur in der Praxis gleichermaßen Sicherheit und Orientierung. Dadurch hat jeder Einzelne die Möglichkeit, seine Aufgaben innerhalb

Ihre Mitarbeiterinnen mit jedem der Ärzte zurechtkommen. Hier empfiehlt sich, auch im Rahmen eines „Schicht-Betriebs“ in der Praxis, die Kleingruppen miteinander arbei- ten zu lassen, die sich gut untereinander verstehen und ähnlich ticken.

Wirtschaftlichkeit – wie zu schaffen?

Auch die wirtschaftlich erfolgreiche Seite einer Praxis hat viel mit Zeitmanagement zu tun. In den angegebenen Praxiszeiten arbeiten Sie bitte in Ihren Sprechzimmern – möglichst systematisch und nacheinander, ohne ständig zu springen. Wenn dann noch eine Infusion anzuhängen ist oder Akupunkturnadeln rauszunehmen sind, delegieren Sie den Patienten zum Abschließen an eine Ihrer Damen, die Ihnen bei Bedarf noch eine Rückmeldung gibt.

Konzentrieren Sie sich möglichst in dieser Zeit auf die Patientenbehandlung – das ist Ihr Umsatz. Überlegen Sie dabei auch, welche (geplanten) Arbeiten an einem Patienten sich gut miteinander kombinieren lassen. Das ist viel effizienter, als viele kleine Termine zu vereinbaren.

Wohin mit den Schmerzpatienten und Ungeplantem?

Je nachdem, wie Ihre Praxis ausgelegt ist, haben Sie mehr oder weniger Patienten, die wegen aktueller Beschwerden spontan in der Praxis stehen. Das ist in jeder Praxis anders und dafür sollten Sie bestimmte „Schmerz-Zeiten“ für die aktuellen und spontanen Erfordernisse im Terminkalender blockieren.

Das kann am Vormittag eine Stunde, am Nachmittag 30 Minuten sein – oder auch weniger, je nachdem mit welchem Klientel Sie es zu tun haben. Diese Zeiten geben Sie an der Rezeption oder per Aushang/Hand- zettel bekannt. Die Termine bleiben blockiert bis 2–3 Tage vorher, dann kann man sie langsam vergeben für Kleinigkeiten wie eine Nahtentfernung o. Ä. oder eben am gleichen Tag mit den akuten Fällen.

In erster Linie sind die „Schmerz-Zeiten“ dafür gedacht, dass Ihr anderes Programm sich nicht verzögert oder gestört wird. Da- mit können Sie allen Patienten ein Zeitfenster für Akutes anbieten, die morgens anrufen oder vor Ihrer Türe stehen. Deshalb soll- te das Zeitfenster etwa in der zweiten Vormittagshälfte liegen, damit sich bis dahin schon jemand gemeldet hat, nicht gleich morgens um 8 Uhr. Genauso nicht zum Ende der Sprechstunde – sonst kommen Sie nie pünktlich nach Hause.

Sollte tatsächlich diese Zeitspanne nicht gebraucht werden, weil an diesem Tag keiner ein Problem hat, machen Sie in der freien Zeit einfach Ihre Mails, Ihre Post, das Teamgespräch oder andere Aufgaben, die auf Ihrem Schreibtisch liegen.

Büro, Mails, Telefon, Post und Co.

Planen Sie täglich für den Schreibkram, der Ihren Schreibtisch bevölkert, wenigstens eine Stunde ein. Möglichst zu einem Zeit- punkt, an dem Sie sich gut konzentrieren können und noch nicht ausgelaugt sind von den Ereignissen des Tages. Gleich morgens oder nach der Mittagspause schaffen Sie viel schneller das Papier weg, am Abend nach der Sprechstunde brauchen Sie dafür wesentlich länger. Auch ein behandlungsfreier Tag oder Nachmittag eignet sich dafür sehr gut. Sie werden nicht durch Patienten- verkehr, Fragen oder Telefon gestört, sondern können in Ruhe und hochkonzentriert durch Ihre Papiere gehen. Meist ist dann in drei Stunden mehr erledigt als zu Praxiszei- ten in sechs Stunden.

Versuchen Sie, so wenig wie möglich zu telefonieren – oder nach festgelegten Telefonzeiten, die möglichst jeden Tag gleich sind. Also z. B. mittags eine halbe Stunde, während Sie im Büro sitzen. Viele Anfragen von Patienten können auch nach Rücksprache von Ihren Damen beantwortet werden, Gespräche mit Überweisern, Steuerberater etc. sollten Sie selbst führen.

Soziale Medien und permanente Handy- Kontrolle während eines Praxistages sind ebenfalls nicht zu empfehlen, genauso wenig wie das permanent offene Outlook im Computer. Dadurch werden Sie ständig gedanklich abgelenkt und können sich nicht so gut auf das vor Ihnen liegende Thema konzentrieren. Generell haben wir fast alle zu viel Informationen pro Tag – es gilt wirklich, zu sondieren, was ist wichtig.

Authentische Führung – was ist anders?

Ein stabiles Team in der Praxis erreicht man nur durch gezielte und v. a. authentische Führungsarbeit. Das bedeutet konkret Energie- und Zeitaufwand. Praxisführung macht sich nicht von alleine, sondern wird idealerweise aus Herz und Verstand geboren. Sie können nur so führen, wie Sie als Persönlichkeit angelegt sind. Versuchen Sie gar nicht erst, Überchef zu spielen, der nie einen Fehler macht und immer Recht hat – das funktioniert nicht. Das Leben ist einfach nicht so und es kostet unglaublich viel Kraft, immer den perfekten Chef darzustellen. Jeder von uns hat mal einen schlechten Tag, vergisst etwas oder macht einen Flüchtigkeitsfehler – das ist einfach normal. Sie werden dadurch nicht unglaubwürdig oder eine schwache Führungskraft, sondern sind einfach menschlich. Je authentischer Sie agieren mit Ihrem Team, umso leichter ist das Mitarbeiter-Management.

Es gibt immer wieder Menschen in unserem Umfeld – und das passiert nicht nur in der Praxis –, die versuchen, Grenzen auszuloten. Nehmen Sie Ihre Praxis gleich als Übungsfeld für das Privatleben: Lernen Sie, klare Grenzen zu setzen und für Ihre Praxisphilosophie so- wie Ihre Arbeitsweise einzustehen. Sie ha- ben sich viele Gedanken gemacht, wie Sie ihre Praxis führen möchten, Sie stehen mit Ihrem Namen und Ihrem finanziellen Einsatz in der Verantwortung. Deshalb sollten Sie im- mer vollkommen ajour sein mit allem, was in Ihrer Praxis passiert. Angefangen vom Um- gangston untereinander im Team und mit Patienten, bis hin zur Preisgestaltung.

Kurz zu den Finanzen

Planen Sie Ihre Finanzen und Investitionen so, dass Sie nicht unbedingt und um jeden Preis alles behandeln müssen, was Ihre Praxis betritt. Bewahren Sie sich die Frei- heit, auch einmal einen besonders dramatischen Fall ablehnen zu können. Das funktioniert nur, wenn Sie nicht permanent das Gefühl haben, die Bank sitze Ihnen im Nacken. Gestalten Sie daher Ihre Investitio- nen und Tilgungsraten entspannt für Ihr persönliches Wohlfühlen und ohne die Notwendigkeit, 40 Stunden pro Woche im Sprechzimmer verbringen zu müssen. Nutzen Sie Ihre Behandlungszeit am Patienten optimal, planen und kalkulieren Sie Ihre Stundenumsätze.

Achillesferse Mitarbeiter

Die Achillesferse einer eigenen Praxis ist meiner Meinung nach nicht die Finanzierung, sondern ein engagiertes und gut aus- gebildetes Mitarbeiterteam, das uns in die Lage versetzt, wirklich effizient zu arbeiten. Am besten schaffen Sie sich das selbst, indem Sie konsequent ausbilden und Ihre Damen auch persönlich an die Praxis binden. Diese Investition von Zeit und Herzblut zahlt sich langfristig auf jeden Fall aus! Dann werden Sie zu den Glücklichen gehören, die immer über ausreichend Mitarbei- terinnen verfügen.

Es lohnt sich immer!

Mich haben meine erfolgreiche Praxis, mein stabiles Team und das entsprechende Feedback von Patienten über alle privaten Krisen hinweg getragen. Eine eigene Praxis ist eine wunderbare Möglichkeit, sich selbst beruflich und persönlich zu verwirklichen.

Es schreibt Ihnen niemand vor, wen und was Sie behandeln, und v. a. nicht, wie Sie sich Ihre Arbeit einteilen. Nutzen Sie die Chance, Ihrem Typ entsprechend, sich so ein Arbeitsumfeld zu schaffen, dass Sie richtig Freude damit haben!

Fazit

Gute Mitarbeiter sind das wichtigste Software- Tool, um Ihnen ein wirklich gutes Zeitmanage- ment zu ermöglichen. Als Behandler ohne Mit- arbeiter empfehlen sich klare Zeitfenster und feste Strukturen. Mit einem guten Zeitma- nagement ergibt sich fast automatisch eine wirtschaftlich erfolgreich geführte Praxis. Delegieren Sie, was immer Ihnen besonders viel Zeitraubtund/oderschwerfällt.

Dr. Martina Obermeyer
Kocheler Straße 1
82444 Schlehdorf

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