WEIBLICHE ERFOLGSSTRATEGIEN

von Dr. Martina Obermeyer

Zahnärztinnen stellen heute den größten Anteil unserer Berufsgruppe dar und arbeiten zwangsläufig anders als die meisten männlichen Kollegen – doch nicht weniger erfolgreich. Was genau ist zu beachten, wenn man als Frau eine Praxis erfolgreich leiten und gleichzeitig ein erfülltes Privatleben führen möchte?

Besonders mit Familie im Gepäck empfiehlt sich eine klare Zeitstruktur und Logistik. Kurze Wege sind entscheidend in die Praxis, zur Kita, zum Einkaufen, zum Sport etc. Daher planen Sie Ihre Zeit in der Praxis möglichst genau und Ihren Bedürfnissen entsprechend. Sie können jederzeit in Ihrer eigenen Praxis die Öffnungszeiten und Behandlungszeitfenster den aktuellen Lebensumständen anpassen.

IN KLAR DEFINIERTER ZEIT PUNKTGENAU ARBEITEN

Während der Behandlungszeit verwirklichen Sie sich möglichst ausschließlich im Sprechzimmer. Zuviel Multitasking, wie ständiges Telefonieren oder E-Mails abarbeiten zwischen den Patienten oder während gerade eine Spritze zu wirken beginnt, erfordert eine ständige Veränderung der Konzentration, und man ermüdet viel schneller. Hingegen mit Fokus auf eine Tätigkeit, z. B. wenn Sie bei einem Patienten im Sprechzimmer bleiben, behalten Sie länger Ihre Energie und sind am Ende des Tages nicht ,,blutleer".

Büroarbeiten erledigen sich am besten mit einem ausgeruhten Kopf, also vor der Patientenbehandlung oder nach einer Pause. Versuchen Sie auch möglichst alles, was mit der Praxis und deren Verwaltung zu tun hat, dort zu lassen und nicht mit nach Hause zu nehmen. Auf diese Weise können Sie leichter umschalten und sich ganz auf Ihr Privatleben konzentrieren, sobald Sie die Praxis verlassen. Machen Sie sich keinen Kopf, Sie würden nicht genug Chefin, Mutter oder Geliebte sein -Präsenz ist das Zauberwort!

Versuchen Sie möglichst, mit Körper und Geist bei der Sache zu sein, die Sie aktuell gerade tun: ob bohren, Kinder bespaßen, Ihren Mann begeistern oder sich nach den beruflichen Anforderungen im Privaten tatsächlich zu entspannen.

WER HÄLT IHNEN DEN RÜCKEN FREI?

Sie brauchen ein Netzwerk auf allen Ebenen. Nicht nur beruflich, sondern auch für alle anderen Aktivitäten des sozialen Umfelds. Noch sind es meist wir Frauen, die Kinder im Zweifelsfall zum Arzt bringen oder uns um die kranke Schwiegermutter kümmern. Selbst mit einem Mann, der im Haushalt mithilft, ist nicht alles abgedeckt. Mit einer Haushaltshilfe, die Ihnen die täglichen Pflichten abnimmt oder erleichtert, ist schon viel gewonnen. Für Kinder brauchen Sie unbedingt einen Plan B: Bei Krankheit eines der Kinder, wenn der Kindergarten geschlossen hat oder zur Überbrückung der langen Ferienzeiten ist eine Person, die einspringen kann, eine conditio sine qua non. Diese sollte mit den Kindern möglichst vertraut sein, sodass sie auch gerne dort hingehen. Ideal ist der Fall, dass die Vertrauensperson direkt zu Ihnen nach Hause kommen kann.

Den Nachwuchs in die Praxis mitzunehmen, ist nur im Not- fall angesagt und sollte keinesfalls einen Standard darstellen. Man kann sich nicht wirklich konzentrieren mit einem kranken Kind im Hintergrund- das Risiko, durch eine Unachtsamkeit deshalb Fehler zu machen, ist zu groß.

Für alle weiteren bürokratischen Aspekte gönnen Sie sich bitte die besten Berater und Mitarbeiterinnen, die Sie bekommen können. Einen mit Zahnärzten vertrauten Steuerberater, eine pfiffige Buchhalterin sowie eine Abrechnungskraft, die Sie auch in weiteren logistischen Vorschriften in der Praxis unterstützt, wie beispielsweise Qualitätsmanagement oder neue Hygienevorschriften. Für Pläne und Konzepte sowie Führungsaspekte mit Ihrem Team kann ein Coach, möglichst vom Fach, wertvolle Hilfestellung bieten. Lassen Sie Ihre Praxis nicht zur alleinigen Aufgabe in Ihrem Leben werden, sondern arbeiten Sie gerne dort - mit einem definierten Anfang und Ende.

Das wichtigste Unterstützungselement ist zweifellos Ihr Praxis-Team. Sie können nur so gut sein, wie das Team, das Sie unterstützt. Das ist die Basis, auf der Sie entspannt und effizient arbeiten können.

KLARE STRUKTUR GIBT SICHERHEIT

Aus meiner Sicht ist eine Organisation auf den Punkt der entscheidende Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg der Praxis wie auch für Ihre persönliche Balance. Weniger entscheidend ist die Anzahl der Stunden, die Sie in der Praxis verbringen, sondern dass die Zeit dort optimal genutzt wird. Das ist eine Frage der Planung und Terminierung. Am besten funktioniert das mit einem Team, das gut zu Ihnen passt und sich als möglichst beständig erweist. Mitarbeiter sind heute unsere wertvollste Ressource darauf sollten wir das größte Augenmerk legen. Fin neues Röntgengerät oder DVT können Sie jederzeit erwerben, gute Mitarbeiterinnen sind jedoch Juwelen, die es zu pflegen gilt.

Für Ihr Team bedeutet eine klare Struktur in der Praxis gleichermaßen Sicherheit und Orientierung. Dadurch hat jeder Einzelne die Möglichkeit, seine Aufgaben innerhalb eines zeitlich definierten Rahmens möglichst gut auszuführen.

Ständige Planänderungen, Zusatzaufgaben oder neue Abfolgen verunsichern und stressen das Team. Kreieren Sie Ihre Ablaufe so, wie es Ihrer Persönlichkeit entspricht, und bleiben Sie dabei. Was sich bewährt, muss nicht jeden Tag neu definiert werden.

Solange Sie alleine in der Praxis arbeiten, ist das relativ übersichtlich. Mit zwei oder mehreren Behandlern erweitert sich das Spektrum der Behandlung, und es treffen unterschiedliche Charaktere aufeinander. Trotz aller Verschiedenheiten in Persönlichkeit und Arbeitsweise müssen Ihre Mitarbeiterinnen mit jedem der Zahnärzte zurechtkommen. Hier empfiehlt sich, auch im Rahmen eines "Schicht-Betriebs" in der Praxis, die Kleingruppen miteinander arbeiten zu lassen, die sich gut untereinander verstehen und ähnlich ticken.

Nutzen Sie Ihren Vorteil als Chefin, alles zu delegieren, was nicht konkret Chefaufgaben sind. Besonders Arbeiten, die Sie selbst nicht gerne machen und andere auch erfüllen können – gönnen Sie sich den Luxus, gezielt abzugeben und sich auf Stichproben zu beschränken.

WEIBLICHE FÜHRUNG – WAS IST ANDERS?

Ein stabiles Team in der Praxis erreicht man nur durch gezielte und vor allem authentische Führungsarbeit. Das bedeutet konkret Energie- und Zeitaufwand. Praxisführung macht sich nicht von alleine, sondern wird idealerweise aus Herz und Verstand geboren. Und diese Kombination ist eine Stärke von uns Frauen! Sie können nur so führen, wie Sie als Persönlichkeit angelegt sind. Versuchen Sie gar nicht erst, die Überchefin zu spielen, die nie einen Fehler macht und immer recht hat – das funktioniert nicht. Das Leben ist einfach nicht so, und es kostet unglaublich viel Kraft, die immer perfekte Chefin darzustellen. Jeder von uns hat mal einen schlechten Tag, vergisst etwas oder macht einen Flüchtigkeitsfehler, das ist einfach normal. Sie werden dadurch nicht unglaubwürdig oder eine schwache Führungskraft, sondern sind einfach menschlich. Je authentischer Sie mit Ihrem Team agieren, umso leichter ist das Mitarbeiter-Management.

Trotz allem, muss man es erst lernen. Frauen als Chefs pflegen oft flache Hierarchien das bedeutet eine Begegnung auf Augenhöhe mit den Mitarbeiterinnen. Aus so einer Struktur resultiert ein freundschaftlicher Umgangston im Team, Einbeziehung der Mitarbeiter, auch in verschiedene Fragen des Praxismanagements, wie auch die Nutzung der Kreativität eines Teams, um komplexe Aufgaben möglichst umfassend zu lösen. Als Voraussetzung, dass dieses System auf Dauer funktioniert, brauchen Sie entweder Damen, die Sie ohne Wenn und Aber als Chefin respektieren und nicht infrage stellen, oder Sie müssen sich manchmal deutlich abgrenzen.

Es gibt immer wieder Menschen in unserem Umfeld – und das passiert nicht nur in der Praxis – die versuchen, Grenzen auszuloten. Nehmen Sie Ihre Praxis gleich als Übungsfeld für das Privatleben ... lernen Sie, klare Grenzen zu setzen und für Ihre Praxisphilosophie sowie Ihre Arbeitsweise einzustehen. Sie haben sich viele Gedanken gemacht, wie Sie Ihre Praxis führen möchten, Sie stehen mit Ihrem Namen und Ihrem finanziellen Einsatz in der Verantwortung. Deshalb sollten Sie immer vollkommen à jour sein mit allem, was in Ihrer Praxis passiert. Angefangen vom Umgangston untereinander im Team und mit Patienten bis zur Preisgestaltung.

GELD UND INVESTITIONEN

Meine Empfehlung bei der Praxisgründung ist, finanziell nicht bis ans äußerste Limit zu gehen. Eine Praxis benötigt auch permanente Nachinvestitionen, wenn Sie auf Höhe der Zeit und der Technik bleiben möchten. Da ist es nicht mit einer Einmal-Aktion" au Beginn getan. Investieren Sie auf jeden Fall so viel, dass die Praxis Ihren persönlichen Stempel bekommt und Sie qualitativ sehr gut arbeiten können. Alles Weitere, was keine großen baulichen Maßnahmen, sondern eher nur" Geld bedeutet, können Sie auch später oder nach und nach erledigen.

Im Hinblick auf eine gute Liquidität ist es ausgesprochen charmant, in der Zeit der steuerlichen Abschreibung die Investition zu tilgen. Möglichst von Beginn an. Solange Sie von den Steuervorteilen profitieren, fallt es Ihnen leichter, Geld für die Tilgung zur Verfügung au haben. Denken Sie ebenso daran, eine Steuer Rücklage zu bilden. Lassen Sie sich zeitnah von lhrem Steuerberater sagen, welcher Betrag für die Steuer des abgelaufenen Jahres oder Quartals fällig werden wird, und parken Sie dieses Geld auf einem separaten Konto. Sonst trifft Sie spätestens zweieinhalb Jahre nach der Praxisgründung eine komplette Steuernachzahlung und gleichzeitig eine knackige Vorauszahlung. Hat die Bank Sie in den ersten zwei Jahren von jeglicher Tilgung freigestellt, kommen zum gleichen Zeitpunkt auch die regelmäßigen Tilgungsraten hinzu.

Frauen investieren generell etwas vorsichtiger als Männer und entscheiden intuitiver. Wir wissen nie genau im Vorhinein, ob wir nicht doch noch ein oder zwei Kinder bekommen oder sich im Privatleben et was anderes ergibt, wofür wir vielleicht Zeit rekrutieren müssen. Versuchen Sie möglichst, nicht gleichzeitig hohe berufliche und private Verbindlichkeiten einzugehen. Ein privater Kredit gestaltet sich wesentlich leichter, wenn Sie schon Erfolge aus einer florierenden Praxis vorzuweisen haben.

Planen Sie Ihre Finanzen und Investitionen so, dass Sie nicht unbedingt und um jeden Preis jeden behandeln müssen, der Ihre Praxis betritt. Bewahren Sie sich die Freiheit, auch einmal einen besonders dramatischer Fall ablehnen zu können. Das funktioniert nur, wenn Sie nicht permanent das Gefühl haben, die Bank sitze Ihnen im Nacken. Gestalten Sie daher Ihre Investitionen und Tilgungsraten entspannt für Ihr persönliches Wohlfühlen und ohne die Notwendigkeit, 40 Stunden pro Woche am Stuhl stehen zu müssen. Nutzen Sie Ihre Behandlungszeit am Patienten optimal, planen und kalkulieren Sie Ihre Stundenumsätze.

Ich kenne einige Kolleginnen, die durch eine suboptimale Investitions- und Finanz-Planung bis zu ihrer Rente Praxis-Schulden mit sich schleppen und daher gezwungen sind, bis mindestens 67 Jahre zu arbeiten. Oder sogar hoffen müssen, durch einen guten Praxisverkauf die verbliebenen Verbindlichkeiten zu tilgen. So etwas ist absolut vermeidbar. Man möchte auch das Gefühl haben, vorwärts zu kommen und etwas zu erreichen. Mit etwas Fingerspitzengefühl und bei Bedarf einem Profi an der Seite, den man fragen kann, ist das eine sichere Angelegenheit. Es gibt wenige Berufe, in denen man sich auf ein so gutes und sicheres Einkommen verlassen kann wie in unserem Beruf in der eigenen Praxis. Ein gutes Konzept, das zu Ihnen passt, ist die Basis dafür.

ACHILLESFERSE MITARBEITER

Die Achillesferse einer eigenen Praxis ist meiner Meinung nach nicht die Finanzierung, sondern ein engagiertes und gut ausgebildetes Mitarbeiterteam, das uns in die Lage versetzt, wirklich effizient als Zahnärztin zu arbeiten. Am besten schaffen Sie sich das selbst, indem Sie konsequent ausbilden und Ihre Damen auch persönlich an die Praxis binden. Diese Investition von Zeit und Herzblut zahlt sich langfristig auf jeden Fall aus! Dann werden Sie zu den Glücklichen gehören, die immer über ausreichend Mitarbeiterinnen verfügen.

Es lohnt sich immer!

Mich haben meine erfolgreiche Praxis, mein stabiles Team und das entsprechende Feedback von Patienten über alle privaten Krisen hinweg getragen. Eine eigene Praxis ist eine wunderbare Möglichkeit, sich selbst beruflich und persönlich zu verwirklichen. Ich würde es jederzeit wieder tun, und es macht mir genauso viel Freude, diese Erfolgskonzepte weiterzugeben – individuell auf jeden einzelnen Fall abgestimmt.

Autorin
Dr. Martina Obermeyer

• Zahnärztin seit 1985, Heilpraktikerin seit 1992, Coach seit 2000. praktizierend in allen drei Berufssparten
• Zusatzausbildungen in Körpersprache, Gestalttherapie, Kinesiologie, Craniosakral-Therapie, Farmiliensystematik, Irisdiagnostik, Psycho-Kinesiologie, Physioenergetik, Neuraltherapie, Akupunktur
• eigene Seminarfirma Aufwind Consulting GmbH seit 2007
• zahlreiche Veröffentlichungen in ZM, Quintessenz, Spitta Verlag, PKV, Prophylaxe Journal, GZM, Haug-
• publizierte Bücher: Wer passt zu wem und warum? (2013), Schau mir in die Augen ... und ich sage dir, wer du bist (2019)

Interessenkonflikt
De Autorin eklärt, dass kein Interessenkonflikt Sinne der Richtlinien des Internatio

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