NATURHEILVERFAHREN ALS PRAXISKONZEPT

GANZHEITLICHE ZAHNMEDIZIN

von Dr. Martina Obermeyer

Allgemein eilt den Praxen mit Schwerpunkt Naturheilverfahren oft der Ruf einer gewissen Unprofessionalität voraus. Nach dem Motto „Hier behandelt der Chef und zwar alles selbst" haben Praxen mit dieser Spezialisierung oft ein ganz eigenes Konzept, bei der die Praxisausstattung und -einrichtung keine signifikante Rolle spielen, von Design und Styling keine Rede.

Ein schlüssiges, vollständig durchorganisiertes Praxiskonzept wird von Patienten oft nicht erwartet, denn der Chef mit seiner Behandlungsweise ist schlichtweg das Markenzeichen.
Weitere häufige Merkmale, die aus diesem System entstehen, sind:

  • lange oder spürbare Wartezeiten für Patienten trotz Terminvergabe, da das gesamte Behandlungskonzept allein auf den Chef konzentriert ist. Hier herrscht das sogenannte MILS-Syndrom: Mache ich lieber selber-Syndrom
  • Die Praxiseinrichtung und Ausstattung ist oft veraltet, bzw. wird wenig Wert darauf gelegt. In dieser Marktnische der Naturheilverfahren, die so deutlich auf die Persönlichkeit des Behandlers abgestimmt ist, verzeihen Patienten diese äußerlichen Faktoren eher oder empfinden es als nicht so wichtig.
  • Organisationsabläufe sind oft nicht optimiert, da der kreative und geniale Chef das Praxismanagement nicht zu seinem Thema gemacht hat. Sein Hauptaugenmerk und seine Talente liegen woanders, nämlich in der ganzheitlichen Erfassung der Persönlichkeitsstruktur von Patienten. Dadurch werden komplexe Problemlösungen für schwierige Behandlungsfälle möglich.

Die Folgen für den Behandler äußern sich oft in extrem langen Arbeitszeiten. Tägliches Überziehen der geplanten Sprechstunde, auf Grund des großen Patientenandrangs, besonders spannender Fälle, ausgewählten Klientels mit langer Anfahrt, und die Möglichkeit Patienten oft alleine zu behandeln oder auszutesten, gehört zum Alltag. Trotz dieses hohen Arbeitseinsatzes von Seiten des Praxischefs stellt sich nicht immer der entsprechende monetäre Erfolg ein. Die Arbeitsabläufe sind meist nicht optimiert, so dass der Behandler Aufgaben übernimmt, die innerhalb des Teams delegiert werden könnten. Unter diesen Voraussetzungen ist Patientenservice im Sinne eines echten „Clientings" kaum möglich
Naturheilverfahren und modernes Praxismanagement - kein Widerspruch!

Naturheilverfahren in der Zahnheilkunde können als Behandlungsschwerpunkt genauso herausgearbeitet werden wie jede andere Spezialisierung. Sie stellen immer noch eine Marktnische dar, die in den meisten Regionen deutlich weniger repräsentiert ist als beispielsweise Implantologie oder Endodontologie.

Praxiseinrichtung und Design sind die erste Gelegenheit, die Botschaft und den Charakter der Praxis nonverbal nach außen zu transportieren. Jeder, der Ihre Praxis betritt, wird zumindest unbewusst und unterschwellig wahrnehmen, welcher Geist hier herrscht und wie behandelt wird. Die Farben, mit denen die Praxis ausgestattet ist, geben Auskunft über weitere Details. Egal, ob Sie die Wände neu streichen oder sich mit Accessoires wie Vorhängen, Lampen, neuen Stuhlbezügen etc. vergnügen, dies ist in jedem Fall eine „Low Budget Version" der Praxisneugestaltung. Die verwendeten Farben sollten auf die Persönlichkeit des Behandlers und seines Teams abgestimmt sein und speziell im Wartebereich und Empfang eine beruhigende und entspannende Wirkung auf die Patienten haben. In der CI, der Coporate Identity, zieht sich der rote Faden des Designs und der Farben weiter durch. Angefangen von der Gestaltung Ihres Praxisschildes, versehen mit einem Logo, das im optimalen Fall speziell die Naturheilverfahren als Behandlungsschwerpunkt signalisiert, bis zum Briefpapier, Bestellblöcken, Rezeptformularen, Praxisbroschüren, Visitenkarten, zieht sich das Logo mit seiner Aussage konstant durch all diese Bereiche, in denen Ihre Praxis nach außen in Erscheinung tritt. Bis hin zu Zeitungsanzeigen, Patientenrundschreiben und Veranstaltungen haben Sie dadurch immer wieder die Möglichkeit, das Logo mit seinem Wiedererkennungswert und seiner ,,Message" öffentlich zu machen.

ERARBEITEN SIE IHR PRAXISIMAGE!

Philosophie und Image werden vom ganzen Team getragen und nach außen transportiert. Da dies, ähnlich wie die Kindererziehung im privaten Umfeld, nicht automatisch funktioniert, muss daran gearbeitet werden. Regelmäßige Teamsitzungen, praxisinterne Fortbildung, gemeinsames Erarbeiten neuer Ziele innerhalb des Teams und deren Umsetzung step by step, sind die Hintergrundarbeit, die dafür notwendig ist.

Praxisorganisation und Management bekommen so eine völlig neue Dimension. Durch Festlegen der Behandlungszeiten, die Vereinbarung, pünktlich anzufangen, eventuell neue Behandlungszeiten und ein verändertes Bestellsystem, machen die Praxis zu einem überschaubaren Arbeitsfeld. Abläufe werden analysiert, neu geordnet, umstrukturiert und verkürzt. Durch Einbeziehen der Eigenverantwortung der Mitarbeiter werden die einzelnen Arbeitsbereiche klar definiert und gezielt delegiert. Durch die eindeutige Definition der einzelnen Arbeitsbereiche entsteht für das Praxisteam eine klare Vorstellung über die persönlichen Aufgaben. Der Best-side-effect der Delegation ist natürlich die Entlastung des Praxisinhabers. Man ist nicht mehr gezwungen, 98 Kleinigkeiten tagsüber im Kopf zu behalten, die auch andere gut erledigen können. Alles, was nicht konkret Chefaufgaben sind, wird an die zuständigen Mitarbeiterinnen abgegeben. Per Rückmeldung sammeln sich diese erledigten Dinge im Laufe des Tages auf Ihrem Schreibtisch, und so haben Sie die Möglichkeit, mit einem letzten Blick darauf die erledigten Aufgaben zu kontrollieren bzw. gemeinsam noch eine optimalere Lösung zu finden. Das spart allen Beteiligten viel Zeit und Nerven.

Ist eine Praxis einmal so strukturiert und organisiert, kann echter Service am Patienten kein Thema mehr sein. Dies integriert sich leicht und wie selbstverständlich in den täglichen Praxisablauf und hat zur Folge, dass das positive Feedback von allen Seiten steigt und in der Praxis eine völlig neue Motivation auslost. Naturheilverfahren sind in gewisser Weise trendy In diesem Zeitalter der hoch technisierten und digitalisierten Medizin treffen Sie den Zeitgeist insofern, als dass sie den Menschen im Ganzen betrachten. Unabhängig von Maschinen, Werten, Röntgenbilder und Befunden wird der Patient in seiner ganzen Persönlichkeit wahrgenommen, nicht als Umsatzträger, sondern als Mensch. Diese Empathie und Bekümmerung ist für jeden Einzelnen, der die Praxis betritt, spürbar und sichtbar. Unabhängig vom Intelligenzquotienten oder der sozialen Schicht erreicht diese Message alle, die mit der Praxis in Kontakt treten.
Naturheilverfahren als Umsatzträger und Marketingfaktor

Auch wenn die Naturheilverfahren per se nicht die zentralen Umsatzträger für eine Zahnarztpraxis sind, wie beispielsweise die Implantologie, so ergeben sich dennoch in der Folgebehandlung eine Reihe interessanter Therapien. Aus meiner Erfahrung werden diese vom Patienten gerne auch privat bezahlt. Amalgamsanierungen, Vier-Quadranten-Versorgungen, Bissumstellung, Funktionsdiagnostik sind aufwändige Behandlungskonzepte, die in genau definierten Zeiträumen zu Ende gebracht werden. Der umfassend aufgeklärte Patient weiß, wofür er sich entscheidet. Er ist sich darüber im Klaren, dass dieser Prozess der Gesamtsanierung ein gerütteltes Maß an Zeit und finanziellem Aufwand für ihn bedeutet. Aus meiner Erfahrung entsteht über diese Monate der Therapie eine besondere Beziehung zum Patienten. Beide, sowohl der Patient als auch der Behandler, lassen sich auf diesen gemeinsamen Prozess ein. Auf dieser Basis entstehen wirklich gute Ergebnisse und dieser begeisterte Patient ist Ihr bester Marketingfaktor!

DIE INSZENIERUNG MACHT'S ...

Durch entsprechende Inszenierung und Organisation können Praxen mit Schwerpunkt Naturheilverfahren in der Zahnheilkunde ebenso erfolgreich sein, auch monetär, wie andere Spezialisierungspraxen. Naturheilverfahren bewegen sich nicht mehr in der Amateurliga, sie haben einen echten Profistatus erreicht!

 

Autorin

Dr. med. dent. Martina Obermeyer

1985: Staatsexamen
1988-1992: als Zahnärztin in einer Praxisgemeinschaft
1992:  Heilpraktikerprüfung
seit 1994: eigene Praxis mit Schwerpunkt ganzheitlicher Zahnheilkunde
1999: Auszeichnung „Zahnärztliche Unternehmerin des Jahres" in Deutschland
März 2000: Gründung der Firma Aufwind Consulting GmbH

Autorin und Referentin
zum Thema Praxismanagement und Naturheilverfahren

Aufwind Consulting GmbH
Dr. Martina Obermeyer
Kocheler Straße 1
82444 Schlehdorf am Kochelsee
info@aufwind.org

ZWP ZAHNARZT WIRTSCHAFT PRAXIS 6/2002 19

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