AUSBILDUNG

ALLE JAHRE WIEDER

von Dr. Martina Obermeyer

Alle Jahre wieder naht der Herbst und mit ihm stellt sich jedes Jahr die Frage: Einstellung einer Auszubildenden - ja oder nein? Als Praxisinhaber wägt man den monetären Aspekt gegen die nervliche Beanspruchung ab. Wie Sie Ihre neue Mitarbeiterin in das Team eingliedern und schon nach kurzer Zeit eine wahre Hilfe haben, schildert Ihnen die Autorin aus eigener Erfahrung.

Angesichts der deutlich angespannten Kostensituation in den meisten Praxen gewinnt die Idee, mit mehr Azubis zu arbeiten, auf jeden Fall unter finanziellen Gesichtspunkten. Doch sollte man die Aufgabe, eine fachliche und persönlichkeitsstarke Helferin auszubilden, nicht unterschätzen. Vorgeschriebene Pflichten wie das Führen des Berichtsheftes kommen auf den Ausbilder zu. Eine weit anspruchsvollere Aufgabe liegt darin, die Auszubildende möglichst unproblematisch in das Team zu integrieren. Da fragt man sich schon einmal, wie nervenschonend dies für das ganze übrige Praxisteam „gehandhabt" werden könne, und wie man der neuen Azubi Spaß und Liebe am Beruf und vor allem Erfolgserlebnisse vermittelt. Die meisten inneren Kündigungen erfolgen während der ersten drei Tage eines Beschäftigungsverhältnisses, überwiegend im Verlauf des ersten Arbeitstages. Es empfiehlt sich also, Auszubildende wie besonders scheue und neue Pflänzchen von Anfang an entsprechend zu pflegen. Mit einem Willkommensgruß in Form einer Kaffeetasse, eines Blumenstraußes oder einer anderen Aufmerksamkeit verschaffen Sie ihr einen guten Einstieg. Um der privaten Beziehungsebene und der weiteren Kontaktaufnahme mit dem gesamten Praxisteam eine Gelegenheit zu geben, ist innerhalb der ersten zwei Wochen ein gemeinsames Abendessen oder ein Betriebsausflug empfehlenswert.

DIE WAHL EINER KONTAKTPERSON

Um der Azubi im Praxisalltag eine gute Orientierung zu ermöglichen hat es sich bei uns bewährt, eine versierte Helferin zur Betreuerin zu ernennen. Die „Neue" weicht ihr anfangs nicht von der Seite und sie wird in allen Arbeitsgängen genau angeleitet. Hat die Azubi selbständig Aufgaben erledigt, kontrolliert sie die ihr zur Seite gestellte Mitarbeiterin. Die Betreuerin ist die primäre Kontaktperson und für mindestens drei Monate ständiger Ansprechpartner.

Darüber hinaus gibt es einmal pro Woche Teambesprechungen und für die Azubi einmal pro Monat ein kurzes Chefgespräch, das bis zum Ende der Probezeit geführt wird. Spätere Einzelgespräche richten sich nach aktuellen Situationen.

AUSBILDUNGSABLAUF

Gerade bei der ersten Auszubildenden häufen sich die Fragen: Womit beginne ich nun die Ausbildung? Wie lege ich die Schwerpunkte? Wodurch wird ein reibungsloser Behandlungsablauf gewährleistet? Wie wird die Azubi am leichtesten integriert? Am Anfang steht der Umgang mit den Patienten. Deshalb machen wir die Azubi zuerst mit den Höflichkeitsstandards und dem Patientenservice der Praxis vertraut:

  • Wie begrüße ich einen Patienten?
  • Wie wird ein Patient bei uns betreut?
  • Wie telefoniere ich?
  • Wie gehen wir innerhalb des Teams miteinander um?

Dies ist ein weites Feld und gleichzeitig eine ständige Übung für alle Beteiligten, aber nie perfekt. Erklären und Erläutern der Standards schärfen die Beobachtung und Wahrnehmung des Neulings. Das Lernen am gelebten Beispiel wird möglich. Da wir alle von Erfolgserlebnissen leben und die Erfolge in Bezug auf Höflichkeit und Umgang punktuell sind, dazu viel Routine für einen hohen Standard erfordern, braucht eine Auszubildende definierte, nachvollziehbare Erfolge auf anderen Ebenen. Zu diesem Zweck untergliedern wir viele Arbeitsabläufe in Teilbereiche.

CHECKLISTEN ALS HILFSMITTEL

Diese Teilbereiche können per bestehender Checklisten vorgegeben sein. Ist dies in der Praxis nicht üblich, kann sie der Azubi selbst erstellen. Dazu verwendet er am besten ein dickes Heft oder Buch, das über ein bis drei Jahre ähnlich einem Vokabelheft beibehalten wird. Dieses Notebook enthält neben den Checklisten auch Zeichnungen, Erklärungen und Definitionen. Damit stellt es ein universelles Nachschlagewerk für die tägliche Arbeit in der Praxis dar. Ausschließlich an den Verfahrensablaufen in der jeweiligen Praxis ausgerichtet ist esinhaltlich völlig unabhängig vom Berichtsheft oder Schulstoff. An Hand dieser Checklisten und Gedächtnisstützen ist eine Azubi innerhalb der ersten drei Monate bereits fähig, Behandlungsvorbereitungen bis ins kleinste Detail selbständig zu erledigen. Genauso verhält es sich auch mit dem Behandlungsende, Teiler der Patientenbetreuung sowie dem Bereich Hygiene und Sterilisation. Eigenverantwortliche Arbeiten, die erfolgreich beendet werden, stärken das Selbstbewusstsein. Lob motiviert zu stärkerem persönlicher Einsatz und macht Lust auf mehr Erfolg.

Fördern Sie die Stärken der ,Kleinen" und wenn es zunächst nur die gute Telefonstimme ist.

Peu à peu werden ihre Aufgabenbereiche erweitert, von der Assistenz über Materialbestellung und Telefon, bis zu Röntgen und kleinen Laborarbeiten. Sobald diese praktischen Teile gut funktionieren, kann sie langsam in Rezeptions- und Verwaltungsaufgaben eingeführt werden. Es ist immer wieder ein spannendes Abenteuer, wie sich diese Mädchen im Verlauf der drei Lehrjahre entwickeln. Und wenn wir einmal ungeduldig werden, denken Sie daran, wie lange wir gebraucht haben, so einfache Dinge wie eine perfekte Unterfüllung spielerisch und ohne Stress an einem Zahn wie z. B. 27 fehlerfrei zu applizieren.

 

Ich wünsche Ihnen viel Spaß mit der „neuen Garde"!

 

ZAHNARZT WIRTSCHAFT PRAXIS 8/99

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